Reaktivierung

Langsam setzte sich heute um 11 Uhr mit leisem Dieselgeräusch ein vollbesetzter Talent-Triebwagen der Deutschen Bahn am Bahnhof Münster Ost in Bewegung.

Es geht über die alten Bahnhöfe Gremmendorf und Wolbeck, dann nach Albersloh um schliesslich zum Wendehalt Sendenhorst zu gelangen.

Bahnhof Münster-Ost? Den kennen viele Münsteraner gar nicht mehr.
Er liegt versteckt zwischen Westfalen AG und der Halle Münsterland an der Lippstädter Straße.
Zuletzt rollte regulärer Personennahverkehr von hier im September 1975. Dann wurde der Personennahverkehr auf dieser Strecke komplett eingestellt.

Auch die Bahnhöfe Gremmendorf und Wolbeck sind in Ihrer ursprünglichen Funktion wohl nur noch den älteren Jahrgängen bekannt.
Alle drei Bahnhöfe liegen an der Strecke der Westfälischen Landeseisenbahn und diese soll für regulären Personennahverkehr in der Zukunft wieder aktiviert werden.
Derweil dient der Bahnsteig am Haus Heuckmann in Gremmendorf als Platz für Schützenfeste und Weihnachtsmärkte und der Bahnhof Wolbeck als Jugendzentrum.

Der heutige Tag war eine Ausnahme, denn das Hafenfest in Münster bot Anlass mit einem Sonderzug die geplante Reaktivierung der alten WLE-Strecke Münster bis Sendenhorst ins Licht der Öffentlichkeit zu bringen.
Und weil so viele Jahre nur seltener Güterverkehr zwischen dem Hauptnetz der Bahn und Westfalen AG rollte,
ging es heute im Blümchenpflücktempo mit maximal 30 km/h über die Gleise.

Im 2-Stunden Takt pendelte heute fünf mal der Zug von Münster nach Sendenhorst und wieder zurück.
Die Sonderfahrt, die heute für eine Richtung über eine Stunde brauchte, soll später einmal in 28 Minuten bewältigt werden; 14 Minuten zwischen Münster und Wolbeck.
Dabei sollen im regulären Betrieb zusätzlich noch die Haltepunkte Loddenheide und Angemodde einbezogen werden.
Und natürlich der Hauptbahnhof, über den es dann weiter Richtung Zentrum Nord gehen wird.

Mit 6000 Fahrgästen wird täglich gerechnet und trotzdem geht man schon jetzt von einem jährlichen Betriebsdefizit von 3,8 Millionen Euro aus.
Auf diesen Kosten wollen und können die Stadt Münster, die mit 14,13% und der Kreis Warendorf,
der mit 26,82% an der WLE beteiligt sind, nicht sitzen bleiben.
Hier soll das Land NRW den intelligenten Betrieb des Schienennahverkehrs fördern.

Doch bis zu einem regulären Betrieb der Strecke braucht es noch viel Zeit und Geld.
Für 32,8 Millionen Euro, die in Fördertöpfen des Bundes gesucht werden, müssen Strecke und Haltestellen ausgebaut werden.
Zum heutigen Zeitpunkt ist ein barrierefreier Einstieg nicht möglich.
Die Schienen und Schwellen sind nicht mehr so in Schuss, wie es für einen vernünftigen Betrieb erforderlich ist.

Aber es ist erklärtes Ziel der Stadt Münster, des Kreises Warendorf und des Zweckverband des Schienenpersonennahverkehrs Münsterland (ZVM), dieses Zukunftsprojekt durchzusetzen.
Begonnen wird damit, die Planungen zur Reaktivierung der WLE-Strecke bis zur Antragsreife zu beauftragen.
Das soll schon bei der nächsten Sitzung des ZVM im Juli geschehen.
Denn erst wenn die anschließende gut anderthalb Jahre lange Planungsphase vollendet ist, können Fördermittel beantragt werden.

Sinnvoll oder nicht?

Über Jahre hinweg kam immer wieder die Idee auf den Tisch die Bahnstrecke wieder in Betrieb zu nehmen.
Man hätte sie vielleicht nie stillegen dürfen.
Es gab Diskussionen, es wurden Gutachten beauftragt, Untersuchungen angestellt, aber passiert ist weiter nichts.
Jetzt endlich beginnt man Nägel mit Köpfen zu machen und treibt das Projekt voran.
Münster wächst und damit auch der Straßenverkehr.
Mit der Konversion der ehemaligen britischen Kaserne in Gremmendorf in einen zivil genutzten Handels- und Wohnkomplex kommt die Bahn als Alternative zum Auto ebenso wie gerufen.

Auch die vielen Pendler die Ihren Arbeitsplatz in Münsters Zentrum, am Hafen oder der Loddenheide haben, würden von der Bahnstrecke profitieren und die Innenstadt Münsters ein Stück weit vor dem Verkehrsinfarkt bewahren. Die Bahn hat wieder Zukunft, die alte Trasse ist da und die Buslinien der Linie 6 und 8 in den Südosten Münsters sind im Berufsverkehr mehr als ausgelastet.
Man geht davon aus im Jahre 2020 die ersten Züge nach Fahrplan auf die Strecke zu schicken, wenn die Bewilligung der Fördergelder durch ist.
Wir warten gespannt wie es weiter geht.
Zumindest bei der heutigen Sonderfahrt war der Talent Triebwagen der Baureihe 643 der Deutschen Bahn gut ausgelastet und auch entlang der Strecke waren viele Bahnfans zu beobachten,
die die Besonderheit des Zuges auf dieser Strecke zu schätzen wussten und auf Fotos verewigten.

Weiterführende Links:

- Zweckverband des Schienenpersonennahverkehrs Münsterland (ZVM)

Arbeitsgemeinschaft Schienenverkehr Münsterland e.V. (ASM)

Einweihung der neuen Verkehrsstation

Das liess sich Bundesverkehrsminister Ramsauer nicht nehmen.
Aufgrund einer Fachmesse für Fahrwegtechnik ohnehin in der Stadt weihte er heute nach über zwei Jahren Bauzeit und 38 Millionen Euro Investition von Bund und Land,
“nur” zwei Millionen mehr als noch 2009 veranschlagt, den Umbau von Münsters Verkehrsstation am Hauptbahnhof ein.

Im November 2009 begannen bereits die bauvorbereitenden Arbeiten im Nordtunnel und ein Jahr später startete dann der Umbau der Verkehrsstation voll durch.
Dieser ist jetzt vollendet, die Verkehrsstation nun wieder modern und zeitgemäß.

“Moment”, wird sich da manch Leserin oder Leser fragen. “Umbau? Ist doch noch gar nicht fertig!”
Richtig, das Empfangsgebäude mit Nord-Süd Verbindungstunnel ist noch nicht einmal begonnen, das alte Abfertigungsgebäude an der Ostseite gerade erst abgerissen.
Das ist so geplant und es wird auch noch einige Zeit dauern bis das Gesamtkonzept umgesetzt ist, aber der Bahnhof als Verkehrsstation, neben kleinen Restarbeiten, ist nun fertiggestellt.
Zu den umfangreichen Umbauarbeiten gehörten im die Erneuerung von Bahnsteigbelägen und  Bahnsteigkanten ebenso,
wie die Sanierung der bestehenden Bahnsteigdächer samt verglaster Windschürzen.
Die Bahnsteigausstattung mit Anzeigetafeln, Uhren, Erfrischungsautomaten und Wartehäuschen wurde ebenfalls erneuert.
Boden-, Wand- und Deckenbeläge wurden in den Fußgängertunneln erneuert.

Beleuchtung und Beschallung der gesamten Verkehrsstation wurde ersetzt und verbessert, die Ausstattung der Bahnsteigzugänge mit vier mobilitätsgerechten Aufzügen ergänzt.
An barrierefreien Ausbau, wie zum Beispiel den Einsatz von Blindenleitstreifen in den Bodenplatten wurde gedacht.

Acht Rolltreppen und breite Aufgänge wurden an den Bahnsteigen installiert.
Diese waren stets ein großes Thema,  das mit dem tödlichen Sturz des  Rechtswissenschaftlers und Rechtsanwalts Werner Hoppe am 9. Juli 2009 seinen traurigen Höhepunkt fand.
Fehlende Aufzüge, marode Gepäckbänder und die bis dahin nicht vorhandenen Rolltreppen entfachten oft die Diskussion um die Erreichbarkeit der Bahnsteige in Münsters Bahnhof.
Doch dies soll mit dem neuen ausgebauten Angebot in der sanierten Verkehrsstation Münster ein Ende haben.

Die Modernisierung der Fußgängertunnel gehört wohl zu den umfangreichsten Maßnahmen.
So wurde der südliche Haupttunnel von seinen 5,60 auf 10 Meter verbreitert, was erhebliche statische Veränderungen mit sich brachte.
Die Gleisbrücken der Gleise 3 bis 14 mussten aufwändig neu gebaut werden.

Der gesamte Umbau, der sicherlich hier und da für Ärgernis sorgte aber im großen Ganzen gut verlief, fand immerhin bei laufendem Bahnbetrieb mit zirka 55.000 Menschen und 800 Zügen pro Tag statt.

2014/2015 soll es dann ans Äußere gehen, wenn Haupteingangshalle samt Verbindungstunnel dem Bagger nach und nach zum Opfer fallen, um einem modernen und optisch modernen Gebäude mit Inneneinrichtung zu weichen.

Fazit
Der Umbau ist gelungen. Heller und angenehmer sind Fußgängertunnel und Bahnsteige. Subjektiv fühlt man sich sicherer.
Die Rolltreppen sind gut, die Aufzüge hätten etwas größer sein können um Rollstuhl, Fahrrad oder Gepäck zu befördern, aber das ist dem nachträglichen Einbau in die vorhandene Struktur geschuldet.
Die Rinnen um sein Rad vom Tunnel zum Bahnsteig hoch oder runterschieben zu können sind nicht ganz geglückt. Die darüberliegenden Handläufe stören beim Radtransport – aber dafür gibt es ja nun einen Aufzug
Anzeigetafeln, Sitzgelegenheiten und Vitrinen wurden auf einen neuen Stand gebracht, Dächer, Boden und Windfang saniert. Die Wartehäuschen sind beheizt, an barrierefreie Nutzung der Bahnsteige wurde gedacht. Die neue Lautsprecheranlage funktioniert ebenfalls sehr gut .
Bis der zweite Bauabschnitt, Empfangshalle und Fassade, fertiggestellt sind wird es nun wieder einige Zeit dauern. Es wird eine schmutzige Zeit werden,  allen Reisenden etwas abverlangen.
Aber dann hat die Jahrzehnte währende Diskussion um einen neuen Bahnhof für Münster, nach dem sich die Münsteranerinnen und Münsteraner seither sehnen, endlich eine Ruhe und eine gelungene Umsetzung gefunden.

Schall & Rauch

Es ist laut und dreckig.
Die Sanierung des Bahnhofs in Münster verlangt den Fahrgästen derzeit viel ab.

Schall und Rauch sind derzeit das Motto am Hauptbahnhof Münster.

Provisorische Schutzbarrieren an Gerüsten auf Eisenbahnwaggons und Hochspannungsleitungen
befestigt, muten nicht nur abenteuerlich an, sie sind auch noch wegen der Windverhältnisse relativ wirkungslos.

Die einstmals verpönten Wartehäuschen auf den Bahnsteigen sind nun Zufluchtsort für wartende
Passagiere und Begleiter.